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Den ganzen Mist heraussingen

Von Anna Petry

Die Wut ist verraucht. Oder vielmehr "herausgekotzt". Sinead O'Connor ist nicht mehr die wütende 21jährige mit kahlrasiertem Schädel und Springerstiefeln. Das ist zehn Jahre her. "Damals war das okay", sagt sie heute, "mit Anfang zwanzig bist Du einfach über alles wütend. Immerhin hat es mich dahin gebracht, wo ich heute bin."

Auf die Wut folgte die Ruhe nach dem Sturm. Nach zwei Jahren meldet sich die 31jährige jetzt gleich mit zwei neuen Alben zurück. Auf "Gospel Oak", einer Mini LP, sind sechs neue Songs zu hören, die beweisen, daß Sinead O'Connor zwar die Wut, aber nicht ihre Intensität eingebüßt hat. Die andere Platte ist nicht wirklich neu, sondern eine "Best Of", auf der ihre musikalische und persönliche Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren festgehalten ist.

"Ich habe viele alte Songs zum ersten Mal wieder gehört, als ich die "Best Of" gemacht habe. Es gab eine Zeit, da wollte ich mit diesen traurigen Liedern nichts mehr zu tun haben. Ich war wirklich überrascht, als ich feststellte, wie sehr ich sie noch mag".

Auf der neuen CD "Gospel Oak" singt eine erwachsene, immer noch sehr emotionale und sehr weibliche Sinead O'Connor so leise wie eindringlich. "Zwischen dem letzten Album "Universal Mother" und der neuen Platte habe ich mein zweites Kind bekommen. Eine Tochter. Sie hat in mir sehr viel Weiblichkeit und sehr viel Weichheit geweckt. Meinen Sohn habe ich auch als Geschenk betrachtet, aber ich war damals einfach noch zu jung. Meine Tochter kommt mir wie der Ausdruck einer universellen Liebe vor. Bei allen Songs auf "Gospel Oak" unterhält sich die Mutter in mir mit dem Kind in mir."

Sinead O'Connor war immer das, was man eine "umstrittene Künstlerin" nennt. Von den einen wird sie seit ihrem Welterfolg 1990 mit "Nothing Compares 2U" geliebt, von den anderen wird sie spätestens seit 1992, als sie vor laufender Fernsehkamera ein Bild des Papstes zerriß, verteufelt. Ihre Emotionalität ist ihre Stärke und gleichzeitig ihre Schwäche. In der Öffentlichkeit hat sich die Irin immer sehr persönlich gegeben, irgendwann fühlte sie sich aber ausgeliefert und verletzt. Deshalb zog sie sich zurück und gab keine Interviews mehr.

Um mit ihrem Leben klarzukommen und ihre unglückliche Kindheit zu verarbeiten, ging sie in eine Therapie. "Ich hatte kein Zuhause im eigentlichen Sinne. Ich bin in einer unerträglich gewalttätigen Familie aufgewachsen. Meine Geschwister und ich sind von meiner Mutter tyrannisiert worden. Ich war dann in einem Heim für schwererziehbare Kinder. Dort haben mir die Nonnen meine erste Gitarre geschenkt, weil sie wußten, daß ich wohl größte Probleme bekommen würde, wenn ich nicht irgendein Ventil finde, um mich auszudrücken und diesen ganzen Mist rauszusingen. Das war auch der eigentliche Grund, Sängerin zu werden. Es hat mein Leben gerettet."

Sinead O'Connor hat sich zweifelsohne sehr verändert. Viele persönliche Probleme scheinen aufgearbeitet. Mit dem Album "Gospel Oak" zeigt die praktizierende Katholikin, daß sie nicht nur zu ihren keltischen Wurzeln, sondern auch zu sich selbst zurückgefunden hat, ohne dabei an Intensität zu verlieren.


© Berliner Morgenpost 1997