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Schneewittchen und gefühlvolle Balladen (concert review, Vienna 2008 - German)

Schneewittchen und gefühlvolle Balladen

Helen Schneider und die irische Sängerin Sinead O'Connor beim Jazzfest Wien in der Oper.

Nein, wir stellen jetzt nicht die Frage, die sich aufdrängt: Was haben Helen Schneider und Sinéad O'Connor – am Donnerstag in der Staatsoper – mit Jazz zu tun, also beim Jazzfest Wien verloren?
Die stereotype Antwort der Veranstalter ist sowieso ein Achselzucken und der Fingerzeig nach Montreux, wo Jazz auch schon die längste Zeit mit Pop und Rock aufgepeppt wird.

Dass Helen Schneider erst jüngst bekannte Jazzklassiker und Popsongs in neuem Jazzgewand eingespielt hat – die CD "Dream a little dream" wird im September erscheinen – wird mit keinem Wort erwähnt.
Was die Sängerin im den Rücken betonenden schwarzen Kleid – vom rechts vorne und deshalb ungebührlich dominanten Schlagzeug beeinträchtigt – u. a. aus dem letzten Album "Like A Woman" (2007) zu Gehör bringt, klingt gut abgehangen: Solide, teilweise richtig scharf wie der Carole-King-Opener "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman". Neben Reminiszenzen an ihre Zeit als Blues- & Rock-Röhre in den frühen 80er-Jahren zeigt die leichtfüßige Spaziergängerin durch alle Musikwelten mit "Born in Time", "Just Like A Woman", dass ihr Bob Dylan schon seit Langem eine Herzensangelegenheit ist.
Auf Leonard Cohens "By the Rivers Dark" und Cole Porters "Love for Sale" folgt ein konzertanter Exkurs in ein transformiertes Märchen der Gebrüder Grimm: Schneewittchen nach Texten der Amerikanerin AnneSexton.
Auf die Ballade "I’d like to be a child again" von Udo Lindenberg gibt’s zum Drüberstreuen noch das unverwüstlich dahin polternde "Rock ’n’ Roll Gypsy (Rock ’n’ Roll Outlaw)".

Ohne große Pose

Sinéad O’Connor macht auf der Bühne keine Show. Die Hohepriesterin der gefühlvollen Ballade aus Irland ist einfach nur sie selbst. Sanft und kämpferisch. Das reicht und ist zugleich erfrischend im aufgeblasenen Pop- und Rockzirkus mit plastifizierten Spät-Girlies.
Barfuß in einer schlabberigen Hose tritt die Sängerin mit Kurzhaarschnitt auf die Bühne, entschuldigt sich für einen hartnäckigen Husten und bringt in Trio-Formation zunächsteinen Querschnitt durch ihr Album "Theology" und auch sonst allerlei in der Geschmacksfarbe Zartbitter.
Mit ihrer Seelenstreichelstimme. In ihrem ganz speziellen Gesangsstil. Als wäre sie eine Tochter von Donovan und Melanie.
Sie kostet lange Pausen aus, schafft damit Spannung und durch den abrupten Wechsel zwischen leisen und lauten Passagen Dramatik, erntet viel Applaus für ihre Interpretation des Prince-Songs "Nothing Compares To You", der sie 1990 direkt an die Spitzen der europäischen Hitlisten katapultierte, und verabschiedet sich mit "Thank You For Hearing Me". Und dem Psalm 137, "Rivers of Babylon", als Zugabe.

(c) 2008 Kurier